NatureLife-International plädiert für mehr Naturbewahrung auf öffentlichen Flächen
Ludwigsburg. Schneeglöckchen und die ersten Krokusse blühen; der Frühling steht vor der Tür und die Zugvögel kehren aus ihren Überwinterungsgebieten in Südeuropa oder Afrika zurück um bei uns Brutplätze zu beziehen und ihren Nachwuchs groß zu ziehen. Viele Baum- und Buschbrüter erwarten jedoch Kahlschlagsflächen an Straßen und im öffentlichen Grün. Wo früher stattliche Bäume oder Gehölzzonen standen in welche sie ihre Nester bauen konnten klafft Leere. Zahlreiche von Straßenbauverwaltungen und Kommunen beauftragte Firmen und Bautrupps haben den Winter damit verbracht, Bäume zu fällen und Gebüsche zu roden.
„Gehölzpflege muss sein und auch früher wurden Hecken immer wieder auf den Stock gesetzt; Aber was sich in den letzten Jahren bei der Grünpflege entlang von Straßen und Wegen eingeschlichen hat, ist katastrophal. Bald gibt es keine großen, starken Bäume mehr“, so Prof. Dr. Friedhelm Göltenboth, Biologe und Mitglied des Kuratoriums der Umweltstiftung NatureLife-International. Statt selektiv zu pflegen würden die beauftragten Firmen nach Feststellungen von NatureLife die zur Straße gehörenden Nebenflächen äußerst großzügig interpretieren und selbst noch viele Meter vom Straßenraum entfernt – wo eigentlich Sicherheitsaspekte keine Rolle mehr spielen würden – auch mächtige Bäume wir Eschen, Eichen, Wildkirschen und andere fällen.
Wie NatureLife feststellte, handelt es sich hier um ein landes- und bundesweites Problem, das sich nicht festsetzen dürfe. „Wenn wir so weitermachen, gibt es bald keine alten Bäume mehr“, beklagt Biologe Göltenboth. „Offensichtlich geht der Holzhunger um; wenn jedoch in öffentliches Grün, das eine wichtige ökologische Rolle spielt, so massiv eingegriffen wird, grenzt das bald schon an Holzdiebstahl“, argumentiert man bei NatureLife.
Die Stiftung unterstreicht, dass Gehölzpflege sinnvoll ist und immer wieder auch neue Habitate hervorbringe. Die meisten der beauftragten Firmen würden jedoch oftmals mit angelernten Kräften arbeiten und es zähle nur Masse statt Klasse. Mit den Eingriffen verlieren auch viele Kleintiere, die im Holz, unter der Rinde oder in hohlen Stängeln leben und überwintern ihren Lebensraum und werden in der Regel kleingehäckselt. Ebenso geht es epiphytischen Moosen, Flechten und Baumpilzen, die auf oder in den Gehölzen leben. Da viele alte Biotope mit hohem Totholzanteil „weggepflegt“ werden, gehen vor allem die genannten Artengruppen zurück. Auch werden häufig Wildpflanzenbestände mit gebietsheimischen Gehölzarten vernichtet, die ebenfalls immer weniger werden. In der Summe tragen diese Maßnahmen mit dazu bei, dass die Roten Listen der vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten immer länger werden. Das Aussterben der Arten bedeutet in jedem Einzelfall einen schweren Schaden im Ökosystem.
Für Prof. Dr. Friedhelm Göltenboth von der Stiftung NatureLife-International ist es höchste Zeit hier umzudenken und mit der Natur pfleglicher umzugehen. Der Umgang mit Bäumen, Gehölz- und Grünflächen orientiere sich sehr häufig an den Zielen Einsparung, scheinbarer Verkehrssicherung und einer „Kehrwochenmentalität“. Auch haben etwa die Preise für Holzhackschnitzel angezogen, was sich in vermehrten Fällaktionen niederschlägt. Aspekte des Natur- und Umweltschutzes spielen nach Beobachtung von NatureLife immer weniger eine Rolle. Das gravierende Aussterben von Tier- und Pflanzenarten ist nur ein Aspekt dieser negativen Entwicklung. Der Naturschutzexperte Conrad Fink von NatureLife empfiehlt den Grünflächenverwaltungen Maßnahmen zur Erhaltung des Baumbestandes und dessen lebenserhaltender Pflege zu priorisieren. Bei der Pflege von Bäumen und Gehölzen sollen die Erhaltung des Bestandes und die Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Pflegeeingriffe sollen dem Naturschutz dienen und sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Sie sind zeitlich so zu strecken, dass keine Schäden für den Naturhaushalt entstehen. Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist einzuhalten. Der Holzvorrat soll erhöht und nicht vermindert werden. Es sollte nach dem Nachhaltigkeitsprinzip verfahren und jährlich nur so viel Holz entnommen werden wie im gleichen Zeitraum nachwächst. Dasselbe sollte für kommunale Waldflächen gelten. „Die öffentlichen Verwaltungen haben hier eine Vorreiterrolle und sollen mit gutem Beispiel für die Bürgerinnen und Bürger vorangehen“, so Conrad Fink von NatureLife.
Nach Ende der diesjährigen Gehölzpflegesaison fordert NatureLife für die kommende Periode im Winter 2017 / 2018 ein Umdenken. Noch sei genügend Zeit für die verantwortlichen Behörden auf die beauftragten Firmen entsprechend einzuwirken.