für die Bearbeitung unseres Antrags auf Erteilung einer Umweltinformation vom 26.03.2014 bedanken wir uns.
Nach Durchsicht der übermittelten Informationen sowie Vor-Ort-Inaugenscheinnahme der bereits erfolgenden Baumaßnahmen halten wir unsere Kritik am Vorgehen der Stadt Bretten aufrecht und konkretisieren diese im Folgenden.
Wir beziehen uns in unseren Ausführungen auf die Fachtagung „Biodiversität im Fokus – Fachgerechter Umgang mit europarechtlich geschützten Arten: Reptilienvorkommen in Genehmigungsverfahren“ der Akademie für Natur- und Umweltschutz des Landes Baden-Württemberg (Veranstaltungen im November 2013 sowie (inhaltsgleich) am 26. Februar 2014)1.
Wir halten eine Aufarbeitung des praktischen Vollzugs des Artenschutzes in der Stadt Bretten für dringend geboten und möchten mit diesem Schreiben auch einen Anstoß an die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Karlsruhe geben, bei zukünftigen Verfahren die Einhaltung fachlicher Standards und rechtlicher Normen mit Nachdruck einzufordern. Die Naturschutzverbände BUND und LNV bitten um eine Rückmeldung, zu den Konsequenzen aus dem inadäquaten Vorgehen im konkreten Fall sowie zum zukünftigen Vorgehen.
Erfassung
Bezüglich der Erfassung der Zauneidechsen steht der Bericht des Büros Scheckeler vom 19.09.2012 zur Verfügung. Nach aktuellem Stand werden in der Regel 4 Begehungen als erforderlich angesehen. Dies ist im vorliegenden Gutachten nicht gegeben. Weiterhin fanden zwei Begehungen (auf dem Acker- und Grünlandstreifen am Nordrand) sehr spät statt: Mitte August und Mitte September. Je nach Witterungsverlauf ist ein Aufsuchen der Winterquartiere für adulte Individuen Mitte August nicht auszuschließen, für Mitte September sogar mit nichtgeringer Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Die Qualität der vorliegenden Datengrundlage ist damit als unzureichend anzusehen.
Abschätzung der Population
Laut artenschutzrechtlicher Einschätzung im Gutachten vom 19.09.2012 sei „davon auszugehen, dass außer den direkt beobachteten Tieren noch etwas 3 mal so viele Tiere vorkommen“. Gemäß aktuellem Stand der Fachdiskussion ist dagegen bereits in übersichtlichem Gelände von einem Korrekturfaktor von 6 auszugehen.
Kapazität der CEF-Maßnahmen
In den Ausführungen vom 19.09. 2012 wird auf eine Fläche von 1800 m2 verwiesen, die als CEF-Maßnahme vorgesehen sei, in der „Biologischen Planung“ vom 7.11.2013 werden dann „über 2000 m2“ genannt, an anderer Stelle 2400 m2. Die Naturschutzverbände weisen darauf hin, dass es notwendig ist, neue, unbesetzte Lebensräume zu schaffen. Gemäß den vorliegenden (methodische mangelhaften) Erhebungen war jedoch bereits ein Teil der jetzigen CEF-Maßnahme besiedelt. Der Flächenumfang besiedelter Flächen kann nicht angerechnet werden. Pro Alttier sind 150 m2 Fläche anzusetzen, ein vom beauftragten Büro vorgeschlagener „Flächenrabatt“ aufgrund von Revierüberlappungen entspricht nicht dem aktuellen fachlichen Stand. Die Berechnung der notwendigen Flächengröße für die CEF-Maßnahme stellt sich damit als fehlerhaft dar.
Umsetzung
Herrichtung der CEF-Fläche: Die Naturschutzverbändeerneuern ihre Stellungnahme: Die vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) für die Zauneidechsen sind so frühzeitig durchzuführen, dass diese ihre ökologische Funktion zum Zeitpunkt der Zerstörung der alten Lebensräume übernehmen können. Nach RUNGE et. al (2010)2, einer Studie im Auftrag des BfN, bedarf eine bereits bewachsene CEF-Fläche für Zauneidechsen einer Reifezeit von drei bis fünf Jahren. Die Umwandlung einer bisherigen Ackerfläche benötigt nach dieser Quelle noch einen entsprechend längeren Zeitraum bis sie als Lebensraum für Zauneidechsen geeignet ist. Gemäß Laufer (2013) ist von einer Zeitspanne bis die ökologische Funktion erfüllt ist, von mindestens 2 Jahren auszugehen.
Baufeldräumung: Das genaue Vorgehen zur Baufeldräumung bzw. zur Verlagerung der Zauneidechsen bleibt weiter unklar beschrieben. Inwiefern die vorgesehenen Maßnahmen als Umsiedlung oder als Vergrämung anzusehen sind, bleibtFrage der Interpretation. Nach aktuellem Stand der fachlichen Diskussion ist die Vergrämung dem aktiven Abfangen vorzuziehen, da mit letzterer enormer Stress (Schwanzabwurf etc.) verbunden ist. Für eine fachgerechte Vergrämung ist abschnittsweise vorzugehen, der Einsatz von Abdeckfolien angezeigt, Zum Vergrämen führt Laufer 2013 aus: „Das Ziel der Vergrämung ist es, den Lebensraum unattraktiv zu gestalten (dichte Vegetation, Vlies, Folie). Dies kann nur während der Aktivitätsphase und außerhalb der Fortpflanzungszeit durchgeführt werden.
- Entfernung der Gehölze und Versteckplätze
- Mähen des Bereichs einschließlich Abräumen des Mähgutes
- Abdeckung, ggf. zur Lenkung der Tiere Zäune aufstellen
- Abnehmen der Folie, des Vlieses nach frühestens 3 Wochen
- Planieren und Verdichten des Bereichs“
Im Gegensatz hierzu wird seitens der vorliegenden Planung auf „Treibwirkung“, „Maschinen, die selektiv“ wirken etc. verwiesen. Die für das Baugebiet „Auf dem Bergel“ beschriebenen Maßnahmen zur Vergrämung von Eidechsen durch Einsatz von Baumaschinen entsprechen keinesfalls anerkannten Standards.
Monitoring / Risikomanagement
Gemäß Laufer 2013 gilt: „Verbleiben bei Vermeidungs- oder Minimierungsmaßnahmen Unsicherheiten, ist ein Monitoring mit einem kombiniertem Risikomanagement durchzuführen. Dieses Monitoring macht aber nur Sinn, wenn schon im Vorfeld Korrektur- und Vorsorgemaßnahmen benannt werden.“
In der vorliegenden Planung konnten wir keine Hinweise zu Maßnahmen erkennen, die ergriffen werden sollen, wenn der erhoffte Erfolg der CEF-Maßnahme nicht eintritt. Eine entsprechende Planung ist vorzulegen. Es ist auch sicherzustellen, dass die angrenzenden Strukturen, die Teil des Flurbereinigungsverfahrens sind, nicht zerstört werden. Weiterhin erneuern die Naturschutzverbände explizit die Forderung, ein Programm zum Bestandsmonitoring festzulegen. Nach Laufer 2013 gilt: „Gleiche Methode wie bei der Erfassung, mind. 3 Jahre und alljährlich bzw. bis der Zielbestand erreicht ist.“ Aufgrund der weiter vorne dargestellten Erhebungsmängel ist hier selbstverständlich statt auf „die gleiche Methode“ auf „anerkannte Erhebungsstandards“, d.h. 4 Begehungen innerhalb der Hauptaktivitätsphase der adulten Tier umzustellen.
Rechtliche Würdigung
Bei der Zauneidechse handelt es sich um eine strenggeschützte Art nach Anhang IV der FFHRL. Nach § 44 (1) Nr. 1-3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist es verboten:
- wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.
- wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-. Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.
- Fortpflanzungs- und Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.
Die Tiere werden nicht wie von ihnen beschrieben, selbstständig in den neu geschaffenen Lebensraum wandern bzw. ausweichen. Sie lassen sich auch nicht durch Baumaschinen in die CEF-Fläche vertreiben. Vielmehr werden sie bei Erschütterungen so schnell wie möglich Schutz in einem Mauseloch oder einem Erdspalt suchen, da sie keine Fluchttiere sind, wie beispielsweise Feldhasen oder Rehe. Das bedeutet letztendlich, dass durch die Lebensraumzerstörung und Tötung im Zuge der Baufeldräumung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass alle drei Verbotstatbestände ausgelöst werden und somit gegen das Artenschutzrecht verstoßen wird. Insbesondere ist zu erwarten, dass durch das skizzierte Vorgehen es zur Tötung von Individuen der streng geschützten Zauneidechse kommen wird, deren Eintretenswahrscheinlichkeit signifikant gegenüber einem Verzicht auf den Eingriff und den natürlichen Mortalitätsrisiken erhöht ist.
Abschließend erneuern die Naturschutzverbände den Hinweis, dass das strenge Artenschutzrecht nicht dem Abwägungsrecht der Gemeinden unterliegt, sondern von diesen strikt zu beachten ist.
Externe Kompensationsmaßnahmen
Wir haben uns erlaubt, Ausführungen der Stadt Bretten zu den vorgesehenen externen Kompensationsmaßnahmen auf den stadteigenen Flächen (Flurstücke Nr. 1263/1,1261, 804, 806 und 763 auf Gemarkung Gölshausen) einer Prüfung zu unterziehen.
Seitens der Gemeinsamen Dienststelle Flurneuordnungwurden wir auf telefonische Nachfrage bestätigt, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine vorläufige Besitzeinweisung und anschließende Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen möglich ist. Da Kompensationsmaßnahmen zeitnah zum Eingriff durchzuführen sind und nicht erst Jahre später, erneuern wir unserer Forderung, dass die Stadt Bretten eine vorläufige Besitzeinweisung – eine beispielsweise in Zusammenhang mit Straßenbauvorhaben völlig übliche Praxis- anstrebt und die Maßnahmen darauf ohne weitere Verzögerung durchführt.
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Weinrebe
BUND-Regionalgeschäftsführer
1 http://www4.um.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/103894/
2 Runge, H., Simon, M. & Widdig, T. (2010): Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturmaßnahmen, FuE-Vorhaben im R.d. Umweltforschungsplanes des BMU i.A.d. BfN
Mich wundert es, dass bei dieser Schwerstarbeit aller Stellungnahmen der Name NABU – NIE – zu lesen ist.
Hat denn NABU keine Kompetenz oder ist nur auf PR spezialisiert?