Das Industriegebiet in Gölshausen soll um einen siebten Abschnitt (ca. 7ha) erweitert werden, bevor der letzte, mit der Abholzung von 22ha Rüdtwald verbundene Abschnitt Nr.6 bebaut wurde. Wer eine fachlich fundierte Erläuterung zur Begründung erwartet hatte wurde vom derzeitigen OB von Bretten, Wolff, enttäuscht: er bezeichnete die Wahl der Erweiterungs-Fläche als „alternativlos„, Punkt!
75015 Bretten, Deutschland
Offensichtlich hat Herr Wolff als Oberbürgermeister inzwischen einiges von seinem Vorgänger Metzger gelernt: hinter den Kulissen beraten und die Fraktionen „auf Linie bringen“, danach, um Diskussionen oder gar Proteste der Bürger/Innen zu vermeiden (die Rüdtwald-Erfahrung wirkt wohl noch nach!), zu behaupten es gäbe keine Alternativen und überhaupt gehe es derzeit lediglich um „Planungssicherheit“. Ein beliebtes Hinhalte-Argument der Bürokratie, wohl wissend, dass eine einmal begonnene Planung (siehe auch das Verfahren Rüdtwald), schon mit Hinweis auf die bereits getätigten Vorleistungen, vom Bürger weder beeinflusst noch mit Aussicht auf Erfolg verhindert werden kann.
Bei der Wahl des jetztigen Erweiterungs-Standortes ist noch erwähnenswert, dass diese Fläche bereits bei der letzten Erweiterung zur Diskussion stand, damals aber abgelehnt wurde. Stadtplaner Braun verwies damals auf die schwierige Lage am Hang und damit verbundenen hohen Erschließungskosten. Heute spielt Geld offenbar keine Rolle mehr, denn Herr Braun befindet jetzt: „Es wird keinen besseren Standort geben, in ökologischer wie in ökonomischer Hinsicht“. Wobei ich persönlich einem Stadtplaner, der federführend bei der Vernichtung des Rüdtwaldes war, sämtliche Kompetenzen in „ökologischer Hinsicht“ ohnehin abspreche!
Auffällig ist, wie sehr das Thema interkommunale Zusammenarbeit gemieden wird, es wurde in der Gemeinderatssitzung am 28. Februar diesen Jahres weder von der Stadtverwaltung noch von einem Gemeinderatsmitglied mit einem Wort erwähnt. Hier unterscheidet sich der „neue“ vom „alten“ OB offensichtlich überhaupt nicht: interkommunal, nein Danke! Die Scheuklappen eng angelegt wird argumentiert, dass ein Mittelzentrum seinen Flächenbedarf selbst zu decken habe, Ende der Debatte, oder wie es die Stuttgarter Zeitung bei der letzten Erweiterung beschrieb: „Kirchturmpolitik nach Kraichgauer Art„.
Inzwischen hat nach Oberderdingen auch Knittlingen mit seinem Gewerbegebiet „Knittlinger Kreuz“ ein konkretes Angebot zur interkommunalen Zusammenarbeit gemacht, „Die Hand nach Bretten ist ausgestreckt„. Aber wo kein Wille ist, ist eben auch kein Weg. Im Umkreis von nur 20km um Bretten warten bereits 342 ha Gewerbeflächen auf ihre Bebauung, bzw. einen Investor. Diese Konkurrenzsituation, die Bretten jetzt nochmals verschärft, wird die stadteigene Kommunalbau GmbH zu weiteren „Schnäppchen“ für Investoren zwingen, auf Steuerzahlerkosten versteht sich.
Die im Gemeinderat vertretenen Parteien zur Erweiterung (Zitate beziehen sich auf die Gemeinderats-Sitzung vom 28.2.2012 und den Artikel in den BNN „Noch einmal eine Erweiterung“ vom 1.3.2012):
CDU:
Sekundiert wurde OB Wolff von der CDU. Deren ehemaliger Fraktionssprecher Judt, hatte noch, als es um den sehr umstrittenen Abschnitt 6 in den Rüdtwald hinein ging, in einem Interview mit dem SDR-Fernsehen vom 1.2.2005 behauptet, dass der Rüdtwald nur als Überbrückung und für den Eigenbedarf gebraucht werde, „bevor das Interkommunale kommt“. Der jetzige Fraktions-Sprecher der CDU, Nöltner, will oder kann sich an die Aussage seines Vorgängers nicht erinnern und hatte als Argument zum oberbürgermeisterlichen „alternativlos“ lediglich den Hinweis auf die bereits vorhandene Infrastruktur zu bieten.
SPD:
die SPD hatte sich bereits beim Verfahren um den Rüdtwald für eine Abholzung ohne Wenn und Aber engagiert. Fraktionschef Heinz Lang sagte in oben bereits erwähntem Interview des SDR: „wir haben eine Arbeitslosequote mittlerweile von 6,7 unser Ziel ist es diese unter 6 runterzudrücken und da werden wir alles dafür tun, dass wir diese Marge auch schaffen.“ Die SPD tat dann auch alles dafür und unterstützte, und verteidigt auch bis heute, vehement die Abholzung des Rüdtwaldes. Inzwischen liegt die Arbeitslosenquote aber seit Jahren unter 6%, derzeit bei gerade einmal 3,9%, aber Edgar Schlotterbeck von der SPD bezeichnete es als „nur logisch in Gölshausen weiter zu machen“. Man darf annehmen, dass „logisch“ hier als Füllvokabel benutzt wurde, denn logisch ist an den Aussagen der SPD zu neuen Gewerbeflächen in Bretten nichts. Egal ob neues Baugebiet in Rinklingen oder ständige Forderungen nach Gewerbegebiets-Erweiterungen, der SPD ist der Flächenverbrauch Brettens anscheinend noch lange nicht zu hoch! (siehe auch Schwarzbuch Flächenverbrauch des BUND)
die Grünen:
sie waren die Hauptgegner der letzten Erweiterung. In der Gemeinderats-Sitzung zur jetzt geplanten Erweiterung des Industriegebietes Gölshausen Teil 7, rügten sie zwar das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sowie die fehlende Gegenüberstellung alternativer Flächen, aber jetzt, da sie sich staatstragend in Baden-Württemberg nennen dürfen, scheint sich ihre Einstellung zu Flächenverbrauch und interkommunaler Zusammenarbeit geändert zu haben. Gerade die interkommunale Zusammenarbeit war ihr damaliges Hauptargument, das durch eine „Rüdtwald – Resolution“ proklamiert wurde. Darin hieß es unter anderem: „Wir, Bündnis90/DIE GRÜNEN, wollen statt dessen eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Gemeinden im Mittelbereich Bretten zur gemeinsamen Schaffung von Arbeitsplätzen auf vorhandenen und im Konsens zu erschließenden geeigneten Flächen“.
8 Jahre später ist das Stichwort interkommunal aus der Argumentation der Grünen offensichtlich verschwunden, mit keinem einzigen Wort wurde sie je wieder erwähnt. Vielleicht hat man beim Regierungswechsel in Stuttgart die Scheuklappen der CDU gleich mit übernommmen?
FWV:
kritisch äußerte sich GR. Altenstetter zur geplanten Erweiterung. Es müssten große Erdmassen bewegt werden, landwirtschaftliche Flächen würden verbraucht, vor allem warnte er als einziger vor der Verschärfung der Hochwassergefahr für die Wohnbevölkerung in Gölshausen. Dass Gölshausen laut dem Regionalplan als „überschwemmungsgefährdetes Siedlungsgebiet“ eingestuft wird, hatten die anderen Gemeinderäte und die Stadtverwaltung offensichtlich, wissentlich oder nicht, in ihren Planungen nicht berücksichtigt, oder für nicht erheblich empfunden.
VBU/FDP:
für die VBU/FDP erhob in der Gemeinderatssitzung vom ein ehemaliger „Industrieller“ die Stimme. Gerd Bischoff überraschte in keiner Weise mit seiner schlichten Argumentation, dass „sowohl für Neuansiedlungen wie für die Bestandspflege“ die Neuausweisung von Flächen nötig sei. Fehlte nur noch das ebenso schlichte wie falsche ko-Argument: Mehr Gewerbeflächen = mehr Gewerbesteuer = weniger Arbeitslose. Aber wer hatte aus dieser Richtung auch schon einen konstruktiven Beitrag zur (nicht stattgefundenen) Diskussion erhofft?
der Ortschaftsrat Gölshausen:
Vertreten durch Herrn Ortsvorsteher Hartmann, der ziemlich unumwunden auf die Bedingungen für die Zustimmung durch den Ortschaftsrat zu sprechen kam: Erweiterung IG Gölshausen gegen Ausweisung des Baugebietes „Auf dem Bergel“. Man darf davon ausgehen, dass die Hochwasserproblematik, die durch eine Erweiterung des Industriegebietes nochmals verschärft wird, dem Ortsvorsteher bekannt ist. Noch ist nicht abzusehen, wie sich die Hochwassersituation nach einer Bebauung des 6. Abschnitts im Rüdtwald darstellt! Trotz dieses Wissens einen solchen Kuhhandel vorzuschlagen grenzt an Verantwortungslosigkeit. Oder sollte der Ortsvorsteher gar befangen sein, weil er „auf dem Bergel“ ein Baugrundstück sein eigen nennt? Spricht er dann für seinen Ortsteil oder für den Privatmann Hartmann?
Inzwischen hat auch OB Wolff einen weiteren „Kunstgriff“ zur Beschleunigung von Industriegebiets-Erweiterungen seines Vorgängers Metzger angewandt: die Investoren klopfen an, bald stehen sie wohl auch wieder Schlange, so wie damals: Firmen stehen in der Warteschleife.
BNN vom 7.4.2012, Frage BNN: In Gölshausen wird der siebte Teil des Industriegebiets ausgewiesen. Hat die Stadt dafür schon konkrete Bewerber oder geschieht dies auf Vorrat? Antwort Wolff: Beides ist der Fall. Ich habe schon konkrete Nachfragen von Unternehmen des produzierenden Gewerbes.[…]
Wer sich von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, noch an das Verfahren um die letzte Erweiterung des Industriegebietes Gölshausen erinnert, die mit der Zerstörung von 22ha Rüdtwald abgeschlossen wurde, an den Kampf der Abholzungsgegner, der immerhin über 6 Jahre lang andauerte und bis vor den Petitions-Ausschuss ging, an die Versprechen, das sei die letzte Erweiterung gewesen, ab jetzt nur noch interkommunale Zusammenarbeit, kann es Bürger/Innen nicht verübeln, wenn sie sich völlig desillusioniert und enttäuscht von einer (Kommunal-) Politik abwenden, für die Ehrlichkeit erst nach Gewerbesteuer kommt, für die Ökologie weit nach Mittelzentrums-Fantasien rangiert. Aber vielleicht ist das ja auch so gewollt?!